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Barrierefreie PDF-Dokumente

Hallo, hier ist wieder der Podcast von ›Einfach für Alle‹, der Aktion Mensch-Initiative für barrierefreies Webdesign. Heute gibt's eine kurze Einführung in die Erstellung barrierefreier PDF-Dokumente, damit diese für eine Vielzahl von Nutzergruppen zugänglich aufbereitet werden können.

Autor: tc

Eine Anleitung zur Erstellung barrierefreier PDF hatten wir vor einiger Zeit bei EfA in Form einer Checkliste veröffentlicht. Hier gibt's die Tipps nochmals zum Nachhören, ergänzt durch ein paar weitere Infos zum Thema. Diese Checkliste ist selbstverständlich als barrierefreie PDF-Version zum Download erhältlich, Links zu diesen und allen anderen Tools und Dokumenten gibt es wie immer am Ende der Mitschrift.

PDF - wie barrierefrei geht es?

Im Prinzip gibt es vier Arten von PDF-Dokumenten, die alle unterschiedliche Grade von Barrierefreiheit aufweisen können:

  1. Aus einem Grafik-Programm in ein PDF gedruckt – das Ergebnis wird definitiv nicht zugänglich sein. Typische Anwendungsfälle sind Broschüren und andere Druckwerke, die zum Beispiel in QuarkXPress erzeugt wurden und über den Drucken-Dialog in ein PDF geschrieben wurden. Diese Dokumente haben generell keine logische Struktur, die Texte sind nicht zugänglich, Bilder haben keine Alternativen und so weiter. Sie sind damit für Nutzer von Screenreader nicht zu gebrauchen.
  2. Aus einer Textverarbeitung in ein PDF gedruckt – das Ergebnis wird wahrscheinlich nicht zugänglich sein. Der Text könnte zwar, je nach verwendetem Programm, leidlich zugänglich sein, darüber hinaus gehende Inhalte wie Tabellen, Bilder etc. werden meistens nicht korrekt ausgezeichnet und bleiben somit unzugänglich.
  3. Aus einer Anwendung heraus mit automatischen Tags exportiert – könnte eventuell zugänglich sein. Voraussetzung ist die konsequente Nutzung von Formatvorlagen in der Textverarbeitung und der Export mit dem Plug-In, das mit Acrobat Professional installiert wird. Auch ohne Nachbearbeitung erhält man bei einfachen Ausgangsdokumenten schon ein leidlich zugängliches PDF; in der neuesten Version von Acrobat werden mittlerweile sogar Alternativtexte für Bilder korrekt übernommen, sofern man diese in der ursprünglichen Anwendung wie MS Word oder InDesign eingepflegt hat. Tabellen sind jedoch in der Regel nach wie vor unzugänglich und müssen manuell nachbearbeitet werden.
  4. Tags manuell hinzugefügt und mit Sachverstand editiert – zugänglich. Die Königsklasse, aber leider auch die mit der meisten Handarbeit. Abgesehen vom finanziellen Aufwand für die Anschaffung von Acrobat Professional kommt hier noch die Arbeit hinzu, jedes Dokument von Hand durchzugehen und, wenn nötig, Tags hinzuzufügen oder vorhandene, falsch gesetzte, zu ändern.

Was sind diese Tags?

PDF-Dateien ohne Tags bestehen aus PostScript, einer Seitenbeschreibungssprache aus der Druckindustrie. PostScript wurde geschaffen, um Daten möglichst ohne Verlust und mit der nötigen Präzision in eine Druckmaschine zu bekommen. Und genau da liegt das Problem: bei Texten beschreibt PostScript nur die Form der Buchstaben, für den Druck so unwichtige Dinge wie Leerschritte zwischen Worten kennt die Sprache nicht. Sie beschreibt nur den Abstand, den ein Druckkopf bis zum Beginn des nächsten Wortes zurücklegen muss. Bei Überschriften sind die Vektoren dann einfach etwas größer – das macht die Überschrift aber noch lange nicht zur Überschrift im Sinne der Barrierefreiheit.

Dieser Umstand führt bei unbearbeiteten PDF-Dokumenten häufig dazu, dass der gesamte Text als eine lose unstrukturierte Folge von Buchstaben ausgegeben wird und zum Beispiel von einem Screenreader genau so vorgelesen würde.

Hier kommt nun das Konzept der »Tagged PDF« zur Hilfe: diese Tags, wie wir sie schon aus HTML kennen, stülpen dem unstrukturierten Inhalt eine XML-Struktur über, in der Überschriften, Absätze, Listen, Bilder, Tabellenzellen und vieles mehr definiert sind. Genau diese Tag-Struktur benötigen Hilfsmittel wie Screenreader, um die Inhalte in einer vernünftigen Form und in einer logischen Reihenfolge wiederzugeben.

Welche Dokumente eignen sich für PDF und welche nicht?

Die meisten Inhalte, die man als PDF im Netz findet, wären eigentlich besser in HTML aufgehoben. Für strukturierte Texte, die nicht ausschließlich zum Ausdrucken gedacht sind, sondern am Monitor gelesen werden sollen, ist HTML nach wie vor die bessere Wahl. Alleine aus ökonomischen Gründen kann man bei diesen Dokumententypen nur von der Konvertierung in PDF abraten. Der Aufwand zur Erstellung wirklich barrierefreier Dokumente, und das können wir aus eigener leidiger Erfahrung sagen, ist durch nichts zu rechtfertigen.

Natürlich gibt es auch hier eine ganze Reihe Ausnahmen. Zulässige Anwendungszwecke für PDF sind zum Beispiel:

  • Dokumente, deren Aufbau sich nicht in HTML & CSS nachbilden lässt. HTML ist eine sehr eingeschränkte Sprache und kennt, trotz seines wissenschaftlichen Ursprunges, zum Beispiel keine Fußnoten.
  • Dokumente, die von anderen gegengelesen und mit Kommentaren versehen werden sollen. Auch hier bietet HTML keine adäquaten Mittel, Acrobat integriert jedoch mittlerweile einen kompletten Workflow für solche Anwendungszwecke. Übrigens: das Manuskript zu diesem Podcast ist auch auf diesem Weg entstanden.
  • Dokumente mit gesetzlichen Anforderungen an die Form, wie zum Beispiel Steuerformulare, Verträge und ähnliches.
  • Dokumente, die im Browser nicht oder nur mit exotischen Plug-Ins dargestellt werden können, die eh niemand installiert hat. Das können zum Beispiel CAD-Zeichnungen sein oder andere Vektorformate, aber auch mathematische Formeln.
  • Und zu guter Letzt: kopiergeschützte Dokumente. PDF hat hier ausgefeilte Mechanismen um zu verhindern, dass Inhalte unauthorisiert entnommen und weiterverbreitet werden.

Die Vorgehensweise

Für alle Dokumente gilt: bei barrierefreien PDF kommt es entscheidend darauf an, dass ein »Tagged PDF«, also ein strukturiertes PDF-Dokument produziert wird. »Tagged PDF« kann in Adobe Acrobat ab der Version 5 sowie anderen Adobe-Produkten erzeugt werden. Darüber hinaus ist OpenOffice 2 in der Lage, Tags zu erzeugen.

Die Checkliste hier bei ›Einfach für Alle‹ soll kein umfangreiches Tutorial sein, sondern nur den Schnelleinstieg in die Thematik geben. Anleitungen und Lösungsstrategien für komplexere Probleme können Sie den Literaturhinweisen in der Mitschrift entnehmen. Daher gibt es einige Einschränkungen:

  1. Es wird davon ausgegangen, dass PDF mit dem Adobe-Makro PDFMaker oder in einer anderen Anwendung erstellt wird, die »Tagged PDF« erzeugen kann. PDFMaker gehört ab der Version 6 zum Lieferumfang von Acrobat Professional und wird bei der Installation in diversen Anwendungen auf Windows- und Mac OS-Systemen automatisch integriert. Auf dem Mac wird allerdings bis zur Version 7 kein »tagged PDF« erzeugt. Leider steht von der neuen Version 8 noch keine Testversion für Mac OS X zur Verfügung. Daher konnten wir bisher nicht testen, ob dieser Mangel immer noch besteht.
  2. Text, Formulare und diverse andere Objekte sowie interaktive Oberflächen müssen einzeln und in Abhängigkeit von der Erstellungssoftware behandelt werden. Die Checkliste beschränkt sich auf solche Dokumente, wie sie typischerweise in Microsoft Word oder OpenOffice erstellt werden. Der Einfachheit halber beschränkt sich die folgende Anleitung auf den typischen Workflow mit MS Word und Adobe Acrobat Professional.

Das Wichtigste: konsequente Nutzung von Formatvorlagen

Besonders zu beachten ist: Überschriften müssen über die Formatvorlage zugewiesen werden. Großer fetter Text macht noch keine Überschrift, das ist hier genau so wie in HTML. Gleiches gilt für die Funktionen für Listen, Fußnoten und Tabellen.

Alternativtexte für Bilder sollten bereits in der Textverarbeitung hinterlegt werden - dort ist es weniger umständlich als diese später in Acrobat nachzuarbeiten. Hyperlinks in Dokumenten sollten gleich in der Textverarbeitung aktiviert werden, sofern sie später im PDF anklickbar sein sollen.

Das Layout der Seiten ist mit Spaltenfunktion oder Textfeldern, nicht mit Tabellen oder Tabulatoren zu gestalten. Kopf- und Fußzeilen sollten keine wesentlichen Informationen enthalten.

Die Konvertierung in PDF

Im Menü »Adobe PDF > Konvertierungseinstellungen ändern« müssen Sie nun noch folgende Voreinstellungen prüfen:

  • In der Registerkarte »Einstellungen« sollten Sie sicherstellen, dass Lesezeichen, Verknüpfungen und Tags zum PDF hinzugefügt werden,
  • im Register »Sicherheit« muss der Zugriff für Sprachausgaben sichergestellt sein,
  • im Register »Word« sollten Sie die Übernahme von Querverweisen, Inhaltsverzeichnissen sowie Fuß- oder Endnoten ermöglichen und
  • im Register »Lesezeichen« die Übernahme der Überschriften, nicht jedoch der Word-Stile (Regelfall) prüfen.

Dann kommt der

PDF-Export

Zur Erzeugung eines getaggten PDF muss das PDF über das Menü »Adobe PDF« erzeugt werden, auf keinen Fall über das Druckmenü. Als nächstes folgt dann die

Weiterverarbeitung in Adobe Acrobat 7

Allen Dokumenten, die an diesem Punkt noch keine Tags besitzen, muss in Acrobat ein Tagbaum eingebaut werden. Die Funktion hierzu finden Sie unter »Erweitert > Ausgabehilfe > Tags zu Dokument hinzufügen«.

Danach folgt die Optimierung der Dokumente, insbesondere die Darstellung und die Lesereihenfolge. Auch bei einer Vergrößerung (Menübefehl »Ansicht > Umfließen«) muss die Reihenfolge der Inhalte schlüssig sein. Korrekturen können Sie mit dem TouchUp-Leserichtungswerkzeug im Menü »Erweitert > Ausgabehilfe« oder durch Entfernen und Wiederhinzufügen von Tags vornehmen.

  • Alle Inhalte müssen im Kontrastmodus gelesen werden können. Diesen finden sie im Menü »Bearbeiten > Grundeinstellungen > Ausgabehilfe«. Dort können Sie Ihr Dokument in verschiedenen Vordergrund- und Hintergrundfarben anzeigen lassen.
  • Die Lesereihenfolge für Screenreader muss unter »Anzeige > Reihenfolge« geprüft und gegebenenfalls. korrigiert werden.
  • Unter »Erweitert > Ausgabehilfe > Vollständige Prüfung« muss geprüft werden, ob keine wesentlichen Inhalte außerhalb des Tagbaums stehen.
  • Unter »Erweitert > Ausgabehilfe > Vollständige Prüfung« muss geprüft werden, ob alle Bilder geeignete Alternativtexte besitzen.
  • Die Prüfung und Optimierung von Datentabellen müssen Sie unter »Werkzeuge > Erweiterte Bearbeitung > TouchUp-Leserichtungwerkzeug« vornehmen.
  • Die Dokumentstruktur sollte im Navigationsfenster »Tags« auf semantische Korrektheit geprüft werden. Hier müssen auch der Aufbau und die Konsistenz der Überschriftenstruktur geprüft werden, und ob Links korrekte Tags mit untergeordnetem Text und OBJR-Objekt besitzen. Durch rechten Mausklick auf einen Tag kann bei Bedarf eine Rollenzuweisung vorgenommen werden.
  • Im Navigationsfenster »Lesezeichen« muss geprüft werden, ob eine sinnvolle Navigationshilfe bereitgestellt ist.

Zum Schluss der Feinschliff

Weitere Anforderungen betreffen die Tab-Reihenfolge: Dokumente mit Links, Anmerkungen und Formularen sollten im Regelfall für die Tab-Reihenfolge »Dokumentstruktur« aufweisen.

Unter »Datei > Dokumenteigenschaften > Erweitert > Leseoptionen > Sprache« muss zusätzlich noch die Hauptsprache des Dokuments, z.B. »Deutsch«, angegeben werden. Sprachwechsel können im Navigationsfenster »Tags« durch rechten Mausklick auf ein Tag (»Eigenschaften > Tag«) eingestellt werden.

Unter »Erweitert > Ausgabehilfe > Vollständige Prüfung« muss geprüft werden, ob der verwendete Zeichensatz auch in Sprachausgaben nutzbar ist.

Abschließend fehlt noch die Prüfung mit dem eingebauten Accessibility-Checker in Acrobat. Die vollständige Prüfung darf keine weiteren Fehler aufweisen.

Das war die dreiundzwanzigste Ausgabe unseres Podcasts zum Thema barrierefreies Webdesign. Weitere Meldungen zum Thema der heutigen Sendung finden Sie im Weblog von ›Einfach für Alle‹ unter dem Tag . Bis zum nächsten Mal.