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News mit dem Tag »Gesetze«

Die Europäische Union plant ein allgemeines Gesetz zur Barrierefreiheit in den Bereichen Informationstechnik, Gebäude und Verkehr. Dafür hat sie eine Online-Befragung gestartet. An der Befragung können Menschen mit und ohne Behinderung, Unternehmen und Organisationen teilnehmen.

Die Befragung läuft bis zum 29. Februar 2012 und ist aktuell nur auf Englisch verfügbar.

Informationen zur Umfrage vom Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit (deutsch): www.barrierefreiheit.de/…

Die Online-Befragung der Europäischen Union (englisch): ec.europa.eu/…

Der Unterausschuss Neue Medien des Bundestages lädt zu einem öffentlichem Gespräch zum Thema »Aktuelle Chancen und Probleme der Barrierefreiheit im Internet« ein. (Mitteilung als PDF)

Das Gespräch findet im Rahmen der 13. Sitzung des Unterausschusses am Montag, dem 19. September 2011 um 13.00 Uhr im Paul-Löbe-Haus E.800, 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Straße 1 statt.

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Als Experten wurden geladen:

  • Thomas Hänsgen, Stiftungsratsvorsitzender ›barrierefrei kommunizieren!‹, Berlin
  • Klemens Kruse, Geschäftsführer Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, Berlin
  • Niels Rasmussen, Vorsitzender der ARD-Projektgruppe ›Barrierefreier Rundfunkzugang‹, Hamburg
  • Klaus-Peter Wegge, Leiter Accessibility Competence Center, Siemens AG, Paderborn

Außerdem wird Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, während der Sitzung anwesend sein.

Fragenkatalog

Folgende Fragen wurden den Experten vorab zur Beantwortung zugeleitet:

  1. Barrierefreiheit ist Voraussetzung für Inklusion. Welche Potenziale bietet das Netz für Behinderte? Wo gibt es Nachbesserungsbedarf?
  2. In Kürze wird die Notifizierung des Entwurfs der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) abgeschlossen. Wird diese Menschen mit Behinderungen umfassend gerecht? Wie bewerten Sie die UN Behindertenkonvention im Hinblick auf ein barrierefreies Internet?
  3. Zum Thema Qualifizierung von Menschen mit Behinderungen im Umgang mit dem Internet: Wie sieht das Angebot derzeit aus, wo bestehen Lücken, können Sie uns Best-practice-Beispiele empfehlen? Welche Chancen bieten sich für Menschen mit Behinderungen, um durch das Internet den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu finden? Welche zusätzlichen Anstrengungen sind notwendig, um die bestehenden Möglichkeiten auszubauen?
  4. Welche Fortschritte haben die Unternehmen in der Vergangenheit gemacht und welche positiven Impulse wurden erbracht, um Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren?
  5. Wie hat sich das Angebot von Homepages in qualitativer und quantitativer Hinsicht verändert? Welche Erwartungen und welche Schwierigkeiten haben Menschen mit Behinderung bei der Nutzung des Internets? Welche Vorstellungen haben Menschen mit Behinderungen vom Internet? Inwiefern ist das Angebot im Internet für Sie »begrenzt« durch Nichtzugänglichkeit?
  6. Wie bewerten Sie den Stand der Aufarbeitung von staatlichen Dokumenten durch öffentliche Stellen hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit? Können Sie neuere Verfahren und offene Dateiformate empfehlen, mit denen das aufwändige Nachbearbeiten von Hand leichter und kostengünstiger zu realisieren ist, so dass eine leichtere Teilhabe an der politischen Meinungsbildung und -äußerung möglich wird?
  7. Welche Möglichkeiten und welche Probleme bieten die neuesten mobilen Zugangsgeräte zum Internet für die Verbesserung der Barrierefreiheit? Wie barrierefrei sind Multitouch-Technologien und spezielle Apps, die bei den neueren Smartphones und Tablets die Regel sind?
  8. Halten Sie rechtliche Anpassungen der Mediengesetze der Länder für nötig, um Barrierefreiheit stärker zu verankern und wenn ja, welche Regelungen schlagen Sie dafür vor?
  9. Wie bewerten Sie den aktuellen deutschen und internationalen Stand der Forschung zur Barrierefreiheit im Internet? Wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten in der internationalen Vernetzung, gerade auch was nachhaltige Standards zur barrierefreien Kommunikation angeht? Welche Kooperationen zwischen Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Institutionen wünschen Sie sich für die Zukunft?
  10. Auf welche Art und Weise kann die Internetkommunikation mehr Barrierefreiheit im physischen Raum ermöglichen? Wo liegen die Chancen und Grenzen von Projekten wie z.B. wheelmap.org, durch welche die Zugänglichkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln kartiert werden und wie sollten entsprechende Projekte in Zukunft gefördert werden?

Die Sitzung ist öffentlich, Zuhörerinnen und Zuhörer werden gebeten, sich bis zum 16. September 2011 unter Angabe von Name, Vorname und Geburtsdatum beim Sekretariat des Ausschusses für Kultur und Medien unter 030/227-34006 oder per E-Mail anzumelden. Besucher müssen sich zudem am Eingang ausweisen können. Nach Auskunft des Ausschusssekretariats wird die Veranstaltung in Gebärdensprache gedolmetscht; zudem wird der Stream untertitelt.

Mehr zur Veranstaltung bei Lanyrd: http://lanyrd.com/2011/cpbfi/.

Im Zeitalter der Computer­technologie sollte eine barrier­efreie Kommunikation eigentlich kein Problem sein. Die Wirklich­keit sieht jedoch anders aus, obwohl es viele Möglich­keiten gibt, digitale Infor­mationen für alle Menschen zugänglich zu machen.

Nun gibt es das Bundes­kompetenz­zentrum Barriere­frei­heit e. V., BKB. Es ist ein privater Zweck­verband von derzeit 15 bundes­weit tätigen Sozial- und Behinderten­verbänden. Ziel des Kompetenz­zentrums ist es, barriere­freie Standards im Internet durch­zusetzen und damit die gesetzlichen Vorgaben des Bundes­behinderten­gleich­stellungs­gesetzes BGG voranzutreiben.

Das BKB wendet sich unter anderem an Menschen mit Behinderung, deren Verbände und Beauftragte sowie Entscheider in Unternehmen, Politik und Verwaltung. Das Kompetenz­zentrum unter­stützt sie dabei, den Anfor­derungen ihres Bereichs ent­sprechend, barriere­freie Lösungen zu ent­wickeln und diesen Prozess beispiels­weise durch Programme zu definieren oder an gesetzliche Vorgaben zu binden – es ist somit erste Anlauf­stelle für fachliche, organisatorische und juristische Fragen.

Weitere Informationen zum Bundes­kompetenz­zentrum Barriere­freiheit gibt es unter www.barrierefreiheit.de.
(via kobinet)

Nachdem in dem für die BITV zuständigen Bundes­minis­terium für Arbeit und Soziales (BMAS) seit der Bundes­tags­wahl nicht nur die Staats­sekre­täre, sondern auch gleich zweimal der Minis­ter ausgetauscht wurde, soll nun endlich auch der vakante Posten des Behin­derten­beauf­tragten der Bundes­regierung besetzt werden. Behin­der­ten­ver­bände hatten in den ver­gangenen Wochen mehr­fach die Neu­besetzung angemahnt.

Unbestätigten Agentur­meldungen zufolge soll der christ­demo­kratische Politiker Hubert Hüppe die SPD-Bundes­tags­abgeordnete Karin Evers-Meyer im Amt für die Belange behin­derter Menschen ablösen.

In der kommenden Woche soll die Be­rufung des 53-Jährigen West­falen wohl auf der Tages­ordnung des Bundes­kabinetts stehen. Hüppe war bereits in der Unions­fraktion des Bundes­tags Beauf­tragter für die Belange der Men­schen mit Behin­derungen; bei der Bundes­tags­wahl im Sep­tember verlor er aller­dings sein Parla­ments­mandat. Der Beauf­tragte soll die An­liegen behin­derter Menschen in die einzelnen Politik­bereiche einbringen; in die Zuständig­keit fällt auch die aus­stehende Über­arbeitung der ›Barriere­freie Infor­mations­technik-Ver­ordnung‹ (BITV).

Heute vor 15 Jahren sind die im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands erarbeiteten Änderungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. In Absatz 3 des Artikels 3 hieß es bis 1994 lediglich: »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.«

Seither heißt es in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes auch: »Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden«. Für Menschen mit Behinderung bot diese Verfassungsänderung den Beginn einer Reihe von Regelungen zur Gleichstellung: Im Jahr 2002 wurde das ›Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen‹ (BGG) verabschiedet; mittlerweile haben alle Bundesländer Gleichstellungsgesetze für Menschen mit Behinderung.

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Nach zähem Ringen und langer Debatte trat am 18.08.2006 in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Kraft. Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Das Gesetz entstand in Folge einer entsprechenden EU-Richtlinie aus dem Jahr 2000, die eine Umsetzung in nationales Recht bis 2003 vorsah.

Seit Inkrafttreten tauchen in den Medien immer wieder Berichte über angeblichen Missbrauch auf. Bundesregierung und Organisationen von Menschen mit Behinderungen haben dagegen weder nennenswerte Probleme in den Unternehmen noch eine Prozessflut registriert. Im Gegenteil: So riet die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Karin Evers-Meyer (SPD), am 23.11.06 Menschen mit Behinderungen: Wer sich diskriminiert fühle, der solle eine Klage auf Abstellung und Schadenersatz nicht scheuen.

Mittlerweile hat Deutschland auch die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen ratifiziert, die seit 26. März 2009 auch in Deutschland gilt.

(kobinet/moh, aktion-grundgesetz.de, Bildnachweis: Elena Buczek/flickr

Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde vom Deutschen Behinderten­rat gebeten, sich für die neue Verord­nung zur Schaffung barriere­freier Infor­mations­technik (BITV 2) nach dem Behin­derten­gleich­stellungs­gesetz einzusetzen.

Der Deutsche Behindertenrat fürchtet, dass eine weitere Ver­zögerung angesichts der bevor­stehenden Bundes­tags­wahlen dazu führen wird, dass diese Ver­ordnung nicht, wie ur­sprüng­lich ange­dacht, jetzt er­lassen wird, sondern noch weitere Monate auf sich warten lässt. »Dies ist aus unserer Sicht nicht hinnehm­bar. Wir bitten Sie daher sehr um Ihre Unter­stützung, damit wir dem Ziel der um­fassenden Teil­habe auch in diesem Bereich endlich ein Stück näher kommen«, heißt es in einem Brief des Aktions­bündnisses der Behin­derten­verbände.

Das am 27.04.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Gleich­stellung behin­derter Menschen (BGG) verfolgt das Ziel, behin­derte Men­schen in die Lage zu ver­setzen, in gleicher Weise wie nicht­behin­derte Men­schen am gesell­schaft­lichen Leben teil­zu­haben. Um dieses Ziel zu ver­wirk­lichen, hat der Gesetz­geber das BGG mit ent­sprechen­den Verord­nungen flankiert, von denen sich die BITV in heraus­ragender Weise des Themas Infor­mations­technik widmet.

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»Die neuen Infor­mations­techniken spielen in der heutigen Gesell­schaft eine an Bedeutung zunehmende Rolle und sind einer Dynamik unterworfen, die einer ständigen Über­prüfung und An­passung bedürfen. Der Ver­ordnungs­geber hat dies erkannt und für die BITV nach drei Jahren eine Über­prüfung fest­geschrieben. Dieser Zeit­raum ist seit geraumer Zeit abgelaufen und das feder­führende Minis­terium hat sich bemüht, im ständigen Kontakt und Aus­tausch mit den Be­hinderten­ver­bänden eine BITV 2 zu formu­lieren, die dem o. g. Anspruch Rechnung trägt und auf Weiter­entwicklungen und Empfehlungen des W3C reagiert«, heißt es weiter in dem Brief.

Jetzt liegt seit einem halben Jahr ein abge­stimmter Entwurf der BITV 2 vor. »Allerdings sehen wir nicht, dass dieser in die Tat umgesetzt wird bzw. als BITV 2 erlassen wird. Dem DBR ist es wichtig, dass die Weiter­ent­wicklung der Ver­ordnung, die jetzt auch auf die Belange von Personen­gruppen wie lern­behinderte, gehör­lose und geistig behinderte Menschen eingeht, unver­züglich umge­setzt und die alte BITV abgelöst wird«, betont der Deutsche Behinderten­rat. Der Anspruch auf eine unein­geschränkte Teil­habe am gesell­schaftlichen Leben und der Zugang zu Infor­mationen und zu Kommu­nikations­wegen sei auch im Hin­blick auf die Behin­derten­rechts­kon­vention der Vereinten Nationen dringend zu realisieren. Jeder Aus­schluss bedeute Diskrimi­nierung.
(via kobinet)

Am 1. Juni 2009 ist der 12. Rund­funk­änderungs­staats­vertrag in Kraft getreten. In §3 Allge­meine Grund­sätze heisst es:

»(2) Die Anbieter nach Absatz 1 Satz 1 sollen über ihr bereits bestehendes Engagement hinaus im Rahmen ihrer tech­nischen und finanziellen Mög­lich­keiten barriere­freie Ange­bote ver­mehrt aufnehmen.«

Warum ›sollen‹? Sollte da nicht ›müssen‹ stehen? Die wahlweise hinzu­schalt­baren Video­text-Unter­titel gibt es in der aktuellen Form seit 1980. Die Selbst­ver­pflichtung wurde jedoch in den letzten 30 Jahren nicht ernst genommen: obwohl seit fast 30 Jahren ein Ausbau der Unter­titel­ung gefordert wird, liegt ihr Anteil bei nur 10,3% (Stand April 2009).

Da Rundfunk Ländersache ist, haben die Hör­geschädig­ten-Ver­bände Anfang Juni 2009 in allen Bundes­ländern entsprechende Peti­tions­anträge einge­reicht, mit denen eine 100%-ige Unter­titelungs­pflicht inner­halb von 10 Jahren gefor­dert wird. Die Mit­zeichnungs­frist endet in 6 Wochen am 31. August 2009.

Die Petition selbst steht unter www.untertitel-petition.de im Netz, weitere Hintergründe gibt es bei der Arbeitsgruppe im Deutschen Gehör­losen-Bund e.V. ›Sign-Dialog – Mehr Bildung durch Untertitel‹ unter www.sign-dialog.de und natürlich auch in Gebärden­sprache.

Einfach für Alle übersetzt die neuen, internationalen Richtlinien für barrierefreie Internetangebote / BITV 2.0 wird auf Richtlinien verweisen / Mitstreiter gesucht

Einfach für Alle, die Initiative der Aktion Mensch für ein barrierefreies Internet, wird die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0 auf Deutsch übersetzen. Bislang gibt es die neuen, internationalen Richtlinien für barrierefreie Internetangebote des World Wide Web Consortiums (W3C) auf Englisch, Portugiesisch und Ungarisch. »Die WCAG 2.0 sind der Standard der Zukunft. Eine autorisierte Übersetzung hilft nicht nur, diese Standards im deutschsprachigen Raum weiter bekannt zu machen, sondern versetzt Agenturen und Anbieter konkret in die Lage, Webangebote auf Grundlage der Richtlinien zu testen und den Bedürfnissen von behinderten und älteren Nutzern entsprechend weiterzuentwickeln«, erklärt Iris Cornelssen, Projektleiterin ›Einfach für Alle‹ bei der Aktion Mensch.

Das W3C – das oberste Gremium des World Wide Web – hatte seine neuen Richtlinien am 11. Dezember 2008 nach jahrelangen Vorarbeiten veröffentlicht. Die WCAG 2.0 basieren auf den vier Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Sie sind von Bedeutung, weil die nationalen und europäischen Gesetzgebungen mehr und mehr auf diesen Richtlinien fußen. Auch die kurz vor der Vollendung stehende ›Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0‹ des Bundes wird auf die WCAG 2.0 verweisen, gab das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kürzlich bekannt.

»Wir freuen uns, dass das W3C unsere Anfrage schnell positiv beschieden hat«, so Cornelssen weiter, »und suchen jetzt im deutschsprachigen Raum sogenannte Stakeholder, Unterstützer aus den Bereichen Wissenschaft, Praxis und Organisationen der Menschen mit Behinderungen, die uns auf diesem Weg begleiten wollen.« Die Schweizer Initiative access4all und die österreichische Plattform accessible media haben bereits zugesagt.

Weitere Infos bei der Pressestelle der Aktion Mensch, Iris Cornelssen und Christian Schmitz, Telefon: 02 28/20 92 -377 oder -364, iris.cornelssen@aktion-mensch.de, christian.schmitz@aktion-mensch.de.

Barrierefreies Internet ist ein Schlüssel für die Modernisierung der Verwaltung / Behörden vernetzen sich neu / Überarbeitete BITV im Abstimmungsprozess / BIENE-Wettbewerb zeigt Leuchtturmlösungen

Web 2.0 – Kaum ein Begriff bestimmt die Diskussion um die von den Möglichkeiten neuer Internettechniken ausgelösten Veränderungen wie diese Wortschöpfung des Verlegers Tim O´Reilly. Die Versionsnummer »2.0« hat sich als Metapher für alles etabliert, was neu ist. Auch vor der öffentlichen Verwaltung macht der modische Zusatz nicht Halt.

So nennt die Bundesregierung einen Teilbereich ihres strategischen Programms »Zukunftsorientierte Verwaltung durch Innovationen« schlicht E-Government 2.0. Und das ist mehr als ein modischer Begriff: Hinter der griffigen Formulierung steckt ein grundsätzlicher Wandel. »E-Government ist heute keine Serviceleistung de luxe mehr, sondern eine schlichte Selbstverständlichkeit. (…) In den Zeiten von Web 2.0, sozialen Netzwerken im Internet und nutzergenerierten Internetangeboten ist eben auch der Staat ganz neuen Erwartungen ausgesetzt. Bürgerinnen und Bürger wollen an den Entscheidungsprozessen in Politik und Verwaltung elektronisch beteiligt werden.« Mit diesen Worten unterstrich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble anlässlich der Behördenleitertagung der Bundesbehörden am 30. September 2008 eindrücklich, vor welchen Zukunftsaufgaben die öffentliche Verwaltung steht.

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Auch der Zukunftsreport »Die öffentliche Verwaltung im Jahr 2020«, eine Expertenbefragung der Prognos AG, sagt voraus, dass die moderne Informationstechnik die Interaktion zwischen Politik, Verwaltung und Bürger auf den Kopf stellt. Neben einer stärkeren Bürgerbeteiligung erwarten die befragten Experten auch neue Kooperationsformen zwischen den Behörden.

Verwaltung 2.0 – Erste Erfolge werden sichtbar

So vielversprechend diese Zukunftsmusik auch klingt – die Praxis sieht derzeit noch anders aus. Nach Angaben des Branchenverbands BITKOM nutzten ausweislich der EU-Statistikbehörde im Jahr 2007 lediglich 17,1 Prozent der Deutschen das Internet, um ausgefüllte Formulare an öffentliche Stellen zu schicken. Nur jeder Vierte (26,1 Prozent) lud amtliche Formulare aus dem Netz aber immerhin vier von zehn Deutschen (39,1 Prozent) informierten sich auf den Webseiten öffentlicher Stellen. Kein Wunder, dass BITKOM-Präsident Prof. August-Wilhelm Scheer anlässlich einer Fachmesse im November 2008 resümierte: »Es fehlt die Interaktion Staat – Bürger. Die öffentliche Hand ist noch nicht im Web 2.0 angekommen.«

Dennoch, so Scheer, gäbe es auch positive Beispiele. Einige davon stellt der BITKOM in einem neuen Leitfaden »Web 2.0 für die öffentliche Verwaltung« vor (PDF zum herunterladen (2 MB)). Darunter ein Portal der Stadt Köln, über das sich die Bürger der Stadt an der Haushaltsplanung beteiligen können, und ein Wiki des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), das im Rahmen der Erarbeitung der »E-Government Strategie für Teilhabeleistungen und Belange behinderter Menschen« eingesetzt wird.

Ohne Barrierefreiheit kein umfassendes E-Government

Gerade beim letztgenannten Projekt verbinden sich aus Sicht von Menschen mit Behinderungen die zwei zentralen Handlungsstränge E-Government und Barrierefreiheit. In beiden Bereichen spielt neben dem Bundesministerium des Innern das BMAS eine wesentlich Rolle, denn die Strategie für Teilhabeleistungen und Belange behinderter Menschen ist ein wichtiger Baustein zur Umsetzung zentraler Aktionsprogramme der Bundesregierung, darunter das Aktionsprogramm im Bereich der Integration öffentlicher Dienstleistungen »iD 2010 - Informationsgesellschaft Deutschland 2010« und vor allem die Maßnahmen zum bedarfsorientierten E-Government-Ausbau des Programms »E-Government 2.0« (Projekt 1.2.14 Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit). Damit spielt die Barrierefreiheit auf Ebene des Bundes in zentralen Bereichen eine Schlüsselrolle für die Verwaltungsmodernisierung und bildet einen Meilenstein auf dem Weg zu einem modernen E-Government in Deutschland.

Insgesamt hat das BMAS sechs Handlungsfelder identifiziert, die es in den kommenden Jahren bis 2012 gezielt ausbauen will, um die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung durch E-Government-Dienstleistungen zu fördern. Dazu gehören unter anderem ein qualitativer und quantitativer Ausbau der Breitbandinfrastruktur sowie der Aufbau eines bedarfsorientierten und umfassenden Portals für die Belange behinderter Menschen. Damit will die Bundesregierung im Sinne eines »One-Stop-Shops« eine zentrale, nutzerorientierte Anlaufstelle schaffen. Außerdem plant das Ministerium den gezielten Auf- und Ausbau nutzerorientierter E-Government-Dienstleistungen der (Sozial)Verwaltung sowie von Angeboten, die die gesellschaftliche Teilhabe von behinderten Menschen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung etc. sicherstellen sollen. Dabei sollen jeweils Web 2.0-Applikationen einbezogen werden, damit sich behinderte Menschen vernetzen, darstellen, austauschen und partizipieren können. Insbesondere mit Blick auf die Nutzung des »Persönlichen Budgets« verspricht sich das BMAS durch eine zentrale Bereitstellung eines entsprechenden Marktplatzes eine deutliche Verbesserung für die Nutzerinnen und Nutzer.

Als zweites großes Projekt hat das Ministerium seit 2007 die federführende Rolle bei der Weiterentwicklung der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung, BITV, übernommen. Erklärtes Ziel ist es, internationale Standards, insbesondere die »Web Content Accessibility Guidelines 2.0 - WCAG 2.0« zu berücksichtigen (siehe auch separaten Artikel dazu). Nach inoffiziellen Aussagen ist die BITV »2.0« auf der Zielgeraden. In den kommenden Wochen soll sie zum Beispiel mit den Organisationen der Menschen mit Behinderung final abgestimmt werden.

BIENE – Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal

Profitiert hat die Überarbeitung der BITV auch vom Forschungsfreisemester der BIENE – dem Wettbewerb für die besten barrierefreien deutschsprachigen Web-Seiten. Am Wettbewerb, einem Projekt der Aktion Mensch und der Stiftung Digitale Chancen, haben sich seit 2003 mehr als 1.000 Unternehmen und Organisationen, Behörden und Ministerien, Städte und Gemeinden sowie Vereine und Verbände aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol beteiligt. Seit der ersten Ausschreibung der BIENE im Jahr 2003 haben die Veranstalter das mehrstufige, wissenschaftlich begleitete Bewertungsverfahren zur Überprüfung der Barrierefreiheit kontinuierlich weiter entwickelt – zuletzt vor allem mit Blick auf Web 2.0-Angebote.

Unter anderem wegen dieses fundierten Verfahrens hat sich die BIENE bei Anbietern und Agenturen als Qualitätsmerkmal etabliert und auch den politischen Prozessen wichtige Impulse gegeben. So sind beispielsweise die durch den Fachlichen Beirat des Wettbewerbs erarbeiteten Kriterien sowohl in den Entwurf der Weiterschreibung der BITV als auch in die neue WCAG 2.0 eingeflossen. Unter den zukünftigen Gewinnern der BIENE werden deshalb sicher wieder Leuchttürme zu finden sein – nicht nur für die Barrierefreiheit, sondern auch für die barrierefreie Interaktion von Bürgern und Behörden in den Zeiten von Web 2.0.

Web-Standards werden entwickelt, um Usern und ihrer Zugangssoftware die Nutzung von Internetangeboten zu ermöglichen, und um Web-Entwicklern eine möglichst unkomplizierte Erstellung von Web-Inhalten zu garantieren. Dabei ist es unerlässlich, dass sich alle Beteiligten auf einen gemeinsamen Standard verlassen können, nach dem das Netz »funktioniert« und auf dessen Basis Inhalte erstellt, verarbeitet, dargestellt und bewertet werden.

Die internationale Harmonisierung von Standards zum Barrierefreien Webdesign ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ziel eines zugänglichen Netzes für Menschen mit Behinderungen. Gemeinsame Standards ermöglichen die kostengünstigere Entwicklung von Hilfsmitteln, die verlässlicher Webinhalte verarbeiten können, da sich diese ebenfalls an den anerkannten Standards orientieren. Dieser egalisierte Markt bedeutet auch für die Hersteller von Autoren-, Prüf- und Reparaturwerkzeugen eine vereinfachte Implementierung der Standards in ihre Produkte, ohne dass sie auf regionale Besonderheiten und abweichende Verordnungen achten müssen.

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Das World Wide Web Consortium (W3C) bietet hierzu seit einiger Zeit die Möglichkeit, lokalisierte Fassungen von Standards und begleitenden Materialien als autorisierte Übersetzungen zu erstellen, die z.B. in Ausschreibungen und Pflichtenheften, aber auch von Verordnungen zu Grunde gelegt werden können. Das W3C verabschiedet zwar keine Normen im Sinne der DIN oder ISO, das Konsortium ist aber die führende Institution zur Erarbeitung von Web-Standards, und durch die breite Unterstützung durch die Industrie und das Konsens-Prinzip werden aus den Empfehlungen de-fakto-Standards. Bereits während der Entwicklung wird darauf geachtet, dass die verschiedenen Standards zueinander kompatibel sind und sich, wie z.B. im Falle von HTML und den WCAG, ergänzen bzw. präzisieren.

Web-Entwickler müssen jetzt schon ein breites Spektrum von Techniken beherrschen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Harmonisierung von Standards zur Barrierefreiheit ermöglicht es ihnen, sich einmalig die Fähigkeiten zur Erstellung barrierefreier Web-Inhalte anzueignen, und diese dann effizient in allen Projekten einzusetzen. Unterschiedliche Standards würden dazu führen, dass Prüfverfahren zur Bewertung barrierefreier Web-Inhalte unnötig kompliziert würden und die Ergebnisse nicht mehr vergleichbar wären. Nicht 100%ig zueinander kompatible Standards würden ebenso dazu führen, dass international aufgestellte kommerzielle Anbieter wertvolle Ressourcen in die Erstellung unterschiedlicher Inhalte investieren müssten, statt sich auf die international anerkannte Basis verlassen zu können. Auch für die Hersteller von Autorenwerkzeugen und Redaktionssystemen ergibt sich aus der Harmonisierung der Standards ein gewichtigerer Business Case, um Accessibility-Features in ihre Produkte einzubauen.

Standards sind notwendig – denn letztendlich spielt es keine Rolle, in welchem Sektor der Wirtschaft oder auf welcher Ebene der Verwaltung eine Barriere in der Web-Nutzung auftritt.

… für 2009, dann wäre das die möglichst zeitnahe 1:1-Übernahme der WCAG 2.0 in die BITVen des Bundes und der Länder. Neben den vielen guten Argumenten, warum eine Harmonisierung der Standards wichtig ist gibt es noch einen weiteren, vollkommen eigennützigen Grund: wir würden gerne unsere Ressourcen im nächsten Jahr darauf konzentrieren, die international anerkannte Richtlinie zu erklären, ohne dauernd auf Unterschiede und Abweichungen eingehen zu müssen – es ist auch so schon komplex genug.

Auch ein Prüfverfahren wie das der BIENE muss einheitliche Maßstäbe anlegen können, um nachher mit einem sauberen Ergebnis dazustehen. Wenn Seiten von Bund, Ländern und Kommunen in ein- und derselben Kategorie mit privaten Angeboten konkurrieren, dann muss dies nach den gleichen Kriterien geschehen. Da für private Anbieter die BITV nicht gilt, kann der Maßstab nur ein Prüfverfahren auf Basis des international anerkannten Standards sein, zumal dieser auf allgemeinem Konsens beruht.

Wenn die BIENE nun nach diesen Maßstäben testet, dann haben öffentliche Seiten keine Chancen mehr auf eine Prämierung, sofern diese nach abgeschwächten Maßstäben entwickelt wurden. Eine Barriere ist ein Barriere ist eine Barriere, egal ob sie unter bund.de verlinkt ist oder in der freien Wirtschaft zu finden ist. Und: die inhaltlichen, gestalterischen und technischen Mittel zur Verhinderung von Barrieren sind identisch, egal aus welchem Topf sie bezahlt werden.

In diesem Sinne verabschieden wir uns von 2008, wünschen dem Bund ein gutes Gelingen bei der ausstehenden Überarbeitung der BITV, und unseren Lesern ein gutes neues Jahr.

Zur Erinnerung

Die Verordnung des Bundes zur Barrierefreien Informationstechnik (BITV) trat am 24. Juli 2002 in Kraft. Sie sah die folgenden Fristen zur Umsetzung vor:

24.07.2002:
Neu erstellte, in wesentlichem Umfang veränderte oder angepasste Angebote (Inter- und öffentliches Intranet)
24.07.2002:
Neu erstellte und mittels Informationstechnik realisierte graphische Programmoberflächen
31.12.2003:
Angebote, die sich speziell an Menschen mit Behinderung richten
24.07.2005
Die Verordnung ist unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung regelmäßig zu überprüfen. Sie wird spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach ihrem Inkrafttreten auf ihre Wirkung überprüft. (§ 5 Folgenabschätzung)
31.12.2005:
Bereits bestehende Angebote im Inter- und öffentlich zugänglichen Intranet

In der Vergangenheit gab es viele Kontroversen um die Weiterentwicklung der Web Content Accessibility Guidelines zur Version WCAG 2.0 (an denen wir auch nicht ganz unschuldig waren), aber fast alle Teilnehmer an der Diskussion hatten immer nur ein Ziel: einen besseren Standard zum Wohle der Nutzer und der Web-Entwickler. Und genau das ist seit gestern, dem 11. Dezember 2008, erreicht – wenn das mal kein Grund zum Feiern ist!

Viele Kontroversen drehten sich um die Komplexität der Dokumente, und sicher sind die Richtlinien komplex, wenn man sie von vorne bis hinten liest (was wir mehrfach gemacht haben). Aber, wie Shadi Abou-Zahra von der WAI sagte: »Lieber zu viel Dokumentation als zu wenig«. Die Richtlinien sind ja nicht ganz ohne Grund so umfangreich ausgefallen, und dafür gibt es zwei einfache Gründe: Robustheit und Testbarkeit. Die WCAG 2.0 ist so Technik-neutral und robust, dass damit sämtliche aktuellen und vor allem auch zukünftige Web-Techniken, die wir noch gar nicht kennen, abgedeckt sein dürften.

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Und: sie sind zu 100% testbar! (im Gegensatz zum Vorgänger) Neben den maschinell testbaren Kriterien gibt es eine Reihe nicht-maschinell testbarer Kriterien, die aber alle so formuliert sind, dass zwei verschiedene menschliche Tester unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis kommen müssten. Dies erleichtert die Arbeit mit den Richtlinien doch ungemein.

Und: sie sind zu 100% umsetzbar! Eine wichtige Voraussetzung für die Verabschiedung der Richtlinien war, dass die Umsetzbarkeit für jeden einzelnen Punkt detailliert nachgewiesen werden konnte. Ohne diesen Nachweis keine Richtlinie (übrigens waren auch einige sehenswerte Beispiel-Implementierungen aus dem deutschsprachigen Raum dabei).

Falls Sie nicht die gesamten Dokumente durchlesen wollen – dafür haben wir vollstes Verständnis. Zumindest die grundlegenden Prinzipien und Richtlinien sollte aber jeder professionelle Web-Entwickler kennen. Diese sind wirklich kurz und bündig – so kurz und so einleuchtend dass wir sie hier in Gänze abdrucken:

  1. Perceivable – Information and user interface components must be presentable to users in ways they can perceive.
    • 1.1 Provide text alternatives for any non-text content so that it can be changed into other forms people need, such as large print, braille, speech, symbols or simpler language.
    • 1.2 Provide alternatives for time-based media.
    • 1.3 Create content that can be presented in different ways (for example simpler layout) without losing information or structure.
    • 1.4 Make it easier for users to see and hear content including separating foreground from background.
  2. Operable – User interface components and navigation must be operable.
    • 2.1 Make all functionality available from a keyboard.
    • 2.2 Provide users enough time to read and use content.
    • 2.3 Do not design content in a way that is known to cause seizures.
    • 2.4 Provide ways to help users navigate, find content, and determine where they are.
  3. Understandable – Information and the operation of user interface must be understandable.
    • 3.1 Make text content readable and understandable.
    • 3.2 Make Web pages appear and operate in predictable ways.
    • 3.3 Help users avoid and correct mistakes.
  4. Robust – Content must be robust enough that it can be interpreted reliably by a wide variety of user agents, including assistive technologies.
    • 4.1 Maximize compatibility with current and future user agents, including assistive technologies.

Das elegante am Aufbau der Richtlinien ist, dass die Fülle der Informationen immer größer und die Erklärungen immer präziser werden, je weiter man sich in die Tiefe vorarbeitet. Entwickler müssen also in der Regel nicht alles von vorne nach hinten lesen, sondern können z.B. anhand der anpassbaren Schnellreferenz genau die Techniken auswählen, die für sie von Interesse sind.

Die nächsten Schritte?

Nun ist der Gesetzgeber gefragt, aus dieser Steilvorlage so schnell es geht eine runderneuerte BITV in der Version 2.0 abzuleiten. Dabei wäre es aus Sicht der Betroffenen (und das sind hier nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch die Web-Entwickler, die das alles umsetzen müssen, die Hersteller von Testwerkzeugen, Redaktionssystemen und anderen Autorenwerkzeugen, die Software-Industrie etc. pp.) wünschenswert, wenn die neue Verordnung zu 100% kompatibel zum international geltenden Standard wäre.

Diesmal ein paar interessante Vergleiche aus dem Norden:

(gefunden hier bzw. da)

Liebe Moderatoren, Experten und Teilnehmer der ›Einfach für Alle‹-Tagung, liebe Zuschauer draussen an den Empfangsgeräten,

wir möchten uns ganz herzlich für Ihre Unterstützung in Gelsenkirchen bedanken. Ihrem Interesse und Engagement verdanken wir, dass die Teilnehmer vor Ort und im Netz viele Impulse mit nach Hause nehmen konnten, um die Zukunft des Internets und damit der Barrierefreiheit mitzugestalten. Denn das ist ein wesentliches Fazit, dass wir anlässlich der Tagung gezogen haben: Barrierefreiheit ist ein Meilenstein für die zukünftige Entwicklung des Internets.

In den kommenden Tagen veröffentlichen wir die Thesen & Ergebnisse aus den 16 Workshops und auch die Video-Mitschnitte auf der Tagungs-Website.

Ein Ergebnis, das insbesondere für die Teilnehmenden aus Behörden und Verwaltung interessant sein dürfte, wollen wir Ihnen schon heute verraten: Mit Blick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen forderten die Experten im Workshop »Verordnete (Barriere-) Freiheit« die BITV mit den Empfehlungen der kommenden Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.0) zu harmonisieren.

Wir sind gespannt, wie die Diskussionsteilnehmer, zu denen neben vielen Vertretern aus Bund, Ländern und Kommunen auch Shadi Abou-Zahra vom W3C, Andreas Schlüter aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie Franz-Josef Hanke von Arbeitskreis Barrierefreies Internet gehörten, diese Forderung in der Praxis umsetzen.

Die Bundesregierung will durch die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie die Teilhabe und Selbstbestimmung behinderter Menschen verbessern. Deshalb arbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales augenblicklich an zwei Projekten in diesem Bereich: 1) Der Überarbeitung der »Barrierefreie Informationstechnik Verordnung« (BITV) und 2) dem Aufbau einer Internetplattform im Sinne eines ›one-stop-shop‹ für Belange von Menschen mit Behinderungen. Dort sollen vorhandene und relevante Internetangebote gebündelt oder vernetzt werden.

Ein Interview mit Erika Huxhold, Leiterin der Abteilung V ›Belange behinderter Menschen, Rehabilitation, Sozialhilfe‹.

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Frage: Frau Huxhold, welche konkreten Projekte wurden 2007 angegangen?
Antwort: Die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie kann die Teilhabe und Selbstbestimmung behinderter Menschen verbessern. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat deshalb in diesem Jahr zwei Projekte in diesem Bereich aufgegriffen.
Zum einen geht es um die »Barrierefreie Informationstechnik Verordnung« (BITV). Drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Verordnung war eine Evaluierung vorgesehen, die einen Überarbeitungsbedarf ergab. Dazu haben wir unter Federführung des BMAS eine Arbeitsgruppe eingerichtet.
Außerdem beabsichtigt das BMAS im Rahmen des eGovernment-Programms der Bundesregierung ein Projekt zum Thema »eGovernment-Strategie für Teilhabeleistungen und Belange behinderter Menschen« zu entwickeln. Hierzu wurde im Juni 2007 im Arbeitsministerium eine Projektgruppe gebildet. Als ersten Schritt ist an den Aufbau einer Internetplattform im Sinne eines »one-stop-shop« für Belange von Menschen mit Behinderungen gedacht. Vorhandene und relevante Internetangebote sollen gebündelt oder vernetzt werden. Diese zentrale Plattform kann dann Ausgangspunkt für weitere eGovernment-Vorhaben sein, mit dem Ziel, Dienstleistungen durch eGovernment für die Bürgerinnen und Bürger einfacher und schneller zugänglich zu machen sowie verwaltungstechnische Abläufe effizienter zu gestalten.
Frage: Wo liegt der Vorteil für die Nutzer, speziell für Nutzer mit Behinderungen?
Antwort: Für Menschen mit Behinderungen ist außerordentlich wichtig, mittels barrierefreier IKT an Informationen zu gelangen und aktiv an der Kommunikation über das Internet teilzunehmen. Deshalb muss sichergestellt sein, dass die behinderten Menschen in Deutschland das Recht auf Gleichbehandlung und Teilhabe auch auf diesem Weg durchsetzen können.
Bei der eGovernment-Strategie geht es darüber hinaus um die verbesserte Nutzung der Serviceleistungen von Instrumenten der Teilhabe behinderter Menschen über das Internet. So ist vorstellbar, mit Hilfe von elektronischen Informations- bzw. Kommunikationstechnologien auch die verschiedenen Verfahrensschritte der Leistungsträger so zu vernetzen, dass z. B. beim Persönlichen Budget auch eine elektronische Antragstellung und Bescheiderteilung entwickelt wird.
Frage: Was erwartet uns in der kommenden Zeit bei den gesetzlichen Rahmenbestimmungen?
Antwort: Neben der Überarbeitung der BITV bereitet das BMAS die Ratifikation der UN-Behindertenkonvention vor. Die Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, Informationen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, auch Menschen mit Behinderungen angemessen und ohne Zusatzkosten zur Verfügung zu stellen. Im Laufe der Ratifizierung wird sich zeigen, ob an der ein oder anderen Stelle eine Anpassung geltender Regelungen erforderlich sein wird.
Frage: Wie wird sich die BITV den technischen und inhaltlichen Entwicklungen des Internets anpassen?
Antwort: Die mit der BITV zusammenhängenden praktischen und technischen Problemstellungen sind sehr unterschiedlich. Die Überlegungen zielen darauf, allen Behinderungsarten gerecht zu werden. Hierbei stellt sich beispielsweise die Frage inwieweit Web-Inhalte mittels Videounterstützung für gehörlose Menschen in Gebärdensprache aufbereitet werden können. Eine andere Frage betrifft die Forderung nach Informationen in einfacher Sprache für lernbehinderte Menschen und Menschen mit geistiger Behinderung. Und natürlich soll die BITV im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Internationalen Standards - Stichwort WCAG 2.0 - und im Hinblick auf die technischen Neuerungen, z. B. Web 2.0 Angebote, angepasst werden.
Frage: Sind Menschen mit Behinderungen an der Weiterentwicklung beteiligt?
Antwort: Für eine Überarbeitung der BITV sind die Erfahrungen der Verbände behinderter Menschen von großer Bedeutung. Die Projektgruppe führt daher regelmäßige Erfahrungsaustausche mit den behinderten Menschen sowie den entsprechenden Verbänden durch. Zuletzt fanden am 17. September 2007 Gespräche mit den Verbänden der gehörlosen und schwerhörigen Menschen sowie der lern- und geistig behinderten Menschen statt. Die Projektarbeitsgruppe ist so konzipiert, dass zuerst in kleinen Gruppen mit den jeweiligen Verbänden und Experten Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden, um diese dann mit allen Behindertenverbänden zu diskutieren und auf den Weg zu bringen.
Frage: Wann ist mit der überarbeiteten BITV zu rechen?
Antwort: Auch die überarbeitete Version der BITV soll sich an den vom World Wide Web Consortium herausgegebenen Standard »Web Content Accessibility Guidelines (WCAG orientieren. Anfang 2008 soll die Version WCAG 2.0 erscheinen, die als Grundlage für eine Fortschreibung der BITV dient. Dann kann voraussichtlich im Frühjahr 2008 die Projektarbeitsgruppe einen ersten Entwurf vorlegen. Denkt man optimistisch – und das tue ich – dann können wir schon 2008 eine überarbeitete BITV in Kraft setzen.
Frage: Welche Schritte plant die Bundesregierung, auch privatwirtschaftliche Anbieter im Netz von den Vorteilen des barrierefreien Internets zu überzeugen?
Antwort: Zur Umsetzung der Barrierefreiheit wurde im BGG das Instrument der Zielvereinbarung geschaffen, mit dem anerkannte Behindertenverbände zusammen mit der Wirtschaft die Ziele zur Herstellung von Barrierefreiheit selbst bestimmen und vereinbaren können. Die Zielvereinbarung überlässt es den Beteiligten, konkrete Regelungen zur Herstellung von Barrierefreiheit zu treffen, die den jeweiligen Verhältnissen und Bedürfnissen angepasst sind und so flexible und verhältnismäßige Lösungen ermöglichen. Beispielhaft ist hier die Zielvereinbarung der Verbände mit der Firma Pfizer Deutschland GmbH, die ihre Internetseiten barrierefrei gestalten werden.
Eine stärkere Nutzung des Instruments der Zielvereinbarungen durch die Verbände behinderter Menschen und Unternehmen ist aus Sicht des BMAS wünschenswert. Das BMAS prüft die Möglichkeit einer Förderung bestehender Kompetenzzentren für verschiedene Bereiche der Barrierefreiheit (Mobilität, barrierefreies Bauen, Kommunikation), um damit auch die Verbände und Unternehmen beim Abschluss weiterer Zielvereinbarungen unterstützen zu können.

Sturmfest, erdverwachsen und demnächst dann auch mit Landes-Gleich­stellungs­gesetz: als letztes Bundes­land bekommt Nieder­sachsen endlich ein Gesetz zur Gleich­stellung von Menschen mit Behin­derung. Laut Agentur­meldungen haben die Koalitions­fraktionen im Sozial­ausschuss des Land­tages einen entsprechenden Gesetzes­text beschlossen. Er soll eine umfassende Gleich­behandlung behinderter Menschen sichern, teilten die Fraktionen mit. Der Land­tag wird nun über das Gesetz entscheiden. Unter anderem sollen die Internet-Auftritte des Landes und der Kommunen barriere­frei werden, allerdings ohne konkreten Zeit­rahmen. Der Sozial­verband Deutschland (SoVD), der Kritik am ersten Gesetz­entwurf der Landes­regierung geübt hatte, begrüßte das Gesetz. (via)

Nachtrag 1: das Gesetz wurde heute im niedersächsischen Landtag beschlossen.

Nachtrag 2: »Niedersachsen ist das letzte«

Neuer Accessibility-Standard für die Schweiz

Von der schweizerischen eCH-Fachgruppe Accessibility wurde 2006/07 der Accessibility-Standard eCH-0059 ausgearbeitet. Dieser Standard befindet sich zurzeit in der öffentlichen Vernehm­lassung (was ist das?). Das Ziel des Standards besteht darin, die Vorgaben des eidge­nössischen Behin­derten­gleich­stellungs­gesetzes auch auf Ebene der Kantone und Gemeinden umzusetzen und diesen Prozess zu unterstützen. Der Standard eCH-0059 regelt unter anderem die einzuhaltenden Kon­formitäts­stufen, Formate und schlägt Fristen vor.

Der Standard eCH-0059 lehnt sich inhaltlich stark an die Richtlinien des Bundes für die Gestaltung von barriere­freien Inter­net­ange­boten (P028) an. Dadurch wird die rasche Umsetzung der Barriere­freiheit auf allen Ebenen gefördert, da alle öffentlichen Institu­tionen an dieselben Anforderungen gebunden sind. Anders als die Richt­linie P028 des Bundes empfiehlt der Standard eCH-0059 aufgrund der am 11. Juni 2006 an der europäischen Minister­konferenz unterzeichneten Deklaration in Riga eine Umsetzungsfrist bis spätestens Ende 2010. Bis dahin sollen alle öffent­lichen Inter­net­angebote des Gemein­wesens an die Kon­formitäts­stufe AA der WCAG 1.0 angepasst sein. (via)

Neue Fristen in Großbritannien

Auch die britische Regierung verpflichtet sich nun selbst, die genannten Rigaer Beschlüsse einzuhalten. Bis Ende Dezember 2008 müssen alle Regierungsseiten mindestens dem WCAG 1.0 Level AA entsprechen, ansonsten droht der Entzug der .gov.uk-Domain.

Damit das auch klappt hat das Cabinet Office eine Anleitung veröffentlicht, die weit über den genannten Standard hinausgeht. Themen sind neben Argumenten pro Barrierefreiheit auch die Analyse von Bedürfnissen der Nutzer und Tipps zur Beschaffung von zugänglichen Autorenwerkzeugen und Redaktionssystemen. Zum Herunterladen:

Ähnlich wie in der Schweiz könnte es somit in England aufgrund der langen Fristen passieren, dass die WCAG 2.0 vorher fertig ist und man sich trotzdem an einen gemein­hin als veraltet bekannten Standard halten muss.

Und hierzulande?

Im Flurfunk macht zurzeit das Gerücht die Runde, dass es in Berlin wohl schon erste Anhörungen zum Thema BITV 2.0 gegeben hätte (man beachte den Konjunktiv). Eventuell kann jemand aus unserer Leser­schaft näheres dazu sagen – auf regierungs­amtlichen Seiten lässt sich nichts dazu finden.

Im Februar des vergangenen Jahres hatte der amerikanische Blindenverband (NFB) Klage gegen den Einzelhändler Target wegen diskriminierender Praktiken auf deren Website eingereicht. Nachdem diese Klage auf Basis des Americans with Disabilities Act (ADA) für einiges Aufsehen gesorgt hatte (wir berichteten) war es in letzter Zeit sehr ruhig um das Thema geworden. Nun hat eine Richterin in Kalifornien die Sammelklage zugelassen, der sich alle blinden Amerikaner anschließen können.

Target hatte nun über ein Jahr Zeit, um das eigene Web-Angebot zu verbessern – dem Vernehmen nach aber nichts weiter in Richtung Accessibility unternommen. Die Vorwürfe sind wie so oft die typischen Barrieren für blinde Nutzer: keine alt-Attribute bei Bildern (inklusive Sonderangeboten), der Bestellprozeß funktioniert nicht bei reiner Tastaturbedienung, Überschriften und ähnliche Strukturelemente zur Orientierung sind nicht vorhanden etc. pp. (via)

Beim 508-Portal (§508 ist sowas wie die amerikanische BITV) fanden wir eine interessante Übersicht von fertigen, in der Arbeit befindlichen oder vorgeschlagenen Standards zu barrierefreien Informations- und Kommunikationstechniken. Autor ist Dr. John Gill vom britischen Royal National Institute for the Blind (RNIB), die Infos sollen vierteljährlich aktualisiert werden: