PDF-Dokumente – lesbar für Alle: Teil 4
Autor: rh
Welche Bildschirmvorleseprogramme (Screenreader) kommen mit PDF-Dokumenten am besten klar?
Die Sprachausgabe des Acrobat Reader 6.0
Der Acrobat Reader 6.0 bietet unter Anzeige > Sprachausgabe eine eigene, synthetische Sprachausgabe an. Als erstes sollte man darauf achten, den Sprecher auf deutsche Aussprache umzustellen, da er das (trotz installierter deutscher Version) nicht automatisch tut. Dafür findet man unter Bearbeiten > Grundeinstellungen > Lesen die Möglichkeit, die Standardstimme zu deaktivieren und unter Stimme z. B. German-Standard auszuwählen. Für blinde Internetnutzer ist diese Sprachausgabe aber nur bedingt zu gebrauchen. Sie lässt sich zwar über die Tastatur steuern, liest aber grundsätzlich alle Texte komplett vor. Man hat ausschließlich die Funktionen eine Seite oder alle Seiten vorlesen, sowie Anhalten oder Stoppen. Navigationshilfen, wie Lesezeichen, Überschriften etc. fehlen.
Zu Tests haben wir uns auf die verbreitetsten Screenreader in Deutschland konzentriert.
Im Einzelnen sind das:
- »Home Page Reader 3.0« von IBM,
- »WindowEyes 4.5« von GW Micro Inc.,
- »JAWS for Windows 4.51« von Freedom Scientific,
- «Virgo 4.0« der Baum Retec AG und
- »Blindows« von Frank Audiodata.
Test mit IBM Home Page Reader 3.0 deutsch
Zunächst muss man wissen, dass der aktuelle Home Page Reader 3.0 (HPR) noch keine Integration eines Acrobat Readers zulässt. Es wird bereits intensiv an der nächsten Version gearbeitet, die dann mit dem aktuellen Acrobat Reader 6.0 arbeitet. Die aktuelle Version 3.0 arbeitet mit einer automatischen Umwandlung von PDF in HTML. Das geschieht auf folgende Weise: Wenn der HPR auf einen PDF-Link trifft, sendet HPR im Hintergrund die PDF-Datei zur Konvertierung in HTML an einen Adobe-Server und ruft dann die zurückgesandte HTML-Datei auf. Das ist im Grunde nicht schlimm, aber leider ist der von Adobe bereitgestellte Service bereits 3 Jahre alt und nicht mehr auf dem neuesten Stand. Unsere Testdatei wurde jedenfalls auf ein Drittel willkürlich gekürzt, hierarchische Strukturen ignoriert und damit unbrauchbar gemacht.
Nach Aussagen von Dr. Weirich, Produktmanager des Home Page Readers, IBM Accessibility Center, Deutschland, soll die neue Version Anfang 2004 auf den Markt kommen. Zur Zeit laufen bereits interne Tests mit einer Alpha-Version. Wir werden sofort nach Verfügbarkeit einen erneuten Test durchführen und unsere Stellungnahme dazu an dieser Stelle veröffentlichen.
Test mit WindowEyes 4.5 deutsch
Das Bildschirmvorleseprogramm von GW Micro Inc. kann man vom Umfang her eher mit JAWS for Windows vergleichen, da es – im Gegensatz zum Home Page Reader – die komplette Windows-Bedienung inkl. Ausgabe zur Braillezeile umfasst. Das hat den Vorteil, dass auch lokal gespeicherte PDF-Dokumente durch direkten Aufruf des Acrobat Readers ohne Probleme lesbar sind. Der vorherige Aufruf des Internetbrowsers ist nicht erforderlich. Die Handhabung von getaggten PDF-Dateien ist problemlos möglich.
Test mit JAWS für Windows 4.51 deutsch
Der Test mit JAWS wurde durchgeführt in Kooperation mit «Web for all«, Heidelberg, Frau Anna Courtpozanis. JAWS arbeitet bereits mit einem Acrobat Reader-Plugin, sodass alle Arten von PDF-Dokumenten grundsätzlich lesbar sind. Die Version 4.51 konnte im Test sowohl hierarchische Textdokumente, als auch das Testformular verarbeiten. Bei der Verarbeitung interaktiver PDF-Formulare trennt sich die »Spreu vom Weizen«. Wie erwartet, konnte JAWS überzeugen.
Test mit VIRGO 4.0
Auf den Test mit VIRGO haben wir verzichtet, da nach Aussagen des Softwarehauses die aktuelle Version PDF nicht direkt verarbeiten kann. Es wird – ähnlich wie beim IBM HPR – mit dem Adobe-Service und Umwandlung in HTML gearbeitet. Alternativ ist auch eine Texterkennung mit FineReader als OCR-Software möglich. Alles keine wirklich guten Wege zum Lesen einer PDF-Datei.
Auch bei Baum Retec wird an einer PDF-kompatiblen Programmversion gearbeitet. Im ersten Quartal 2004 soll die Version »VIRGO 4.3« an den Start gehen und mit Hilfe eines »Document Wizard« – also eines Assistenten-Makros – gearbeitet, das die Handhabung und das Vorlesen der PDF-Datei komfortabel erledigen soll.
Test mit Blindows 3.1
Blindows von Frank Audiodata arbeitet ähnlich wie JAWS und Window Eyes nicht nur als Werkzeug zum Lesen von Webseiten, sondern unterstützt die komplette Windows-Bedienung. Nach Aussagen von Frank Audiodata konnten die zur Verfügung gestellten Testdokumente einwandfrei verarbeitet werden. Im Einzelnen wurden Lesereihenfolge, Erkennen und Navigieren mit Lesezeichen, sowie Handhabung und Ausfüllen des Formulares getestet. In allen Fällen konnte Blindows 3.1 mühelos damit fertig werden und zwar mit Screenreader, Großschrift und Braillezeilen-Ausgabe. Die Tests hat Thorsten Weinbrecht, Entwicklungsleiter von Frank Audiodata, durchgeführt und protokolliert. Sollten Blindows-Anwender abweichende Erfahrungen haben, können Sie gerne zum Vergleich unsere beiden PDF-Testdokumente herunterladen.
Fazit: JAWS und Blindows scheinen z. Zt. die beste PDF-Verarbeitung realisiert zu haben. Wie lange sie diesen Vorsprung halten könne, bleibt abzuwarten.