Das Smartphone hört aufs Wort – Interview mit Christian Bayerlein

Wie zugänglich sind Smartphones für Menschen mit motorischer Behinderung? Wo liegen die Potentiale, was muss sich noch verbessern? Fragen dazu beantwortet der Informatiker und Behindertenbeauftragte der Stadt Koblenz Christian Bayerlein.

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Aktion Mensch: Herr Bayerlein, würden Sie bitte erzählen, was Sie beruflich machen und wofür Sie sich engagieren?
Christian Bayerlein: Ich bin Diplom-Informatiker und habe eine ganze Zeit lang freiberuflich gearbeitet. Daneben habe ich mehrere Jahre das Zentrum Selbstbestimmt Leben Koblenz als Berater unterstützt. Seit zwei Jahren arbeite ich im Bundesarchiv, wo ich das Internet und Intranet betreue. Daneben bin ich Beauftragter für Menschen mit Behinderung bei der Stadt Koblenz.
Aktion Mensch: Sie haben eine motorische Behinderung, könnten Sie beschreiben, wie diese Behinderung aussieht und wie sie sich auf Ihren Alltag auswirkt?
Christian Bayerlein: Ich habe spinale Muskelatrophie, das hat zur Folge, dass ich am ganzen Körper gelähmt bin und nur einige Gliedmaßen ein wenig bewegen kann. Für die Arbeit am Computer benutze ich eine Spracheingabe-Software, mit der ich den gesamten PC steuern kann. Wenn ich etwas anklicken oder ein Objekt verschieben will, kann ich über die Spracheingabe ein Mausraster über den Bildschirm legen. Ein Objekt kann damit gezielt aktiviert oder verschoben werden.
Für das Smartphone verwende ich die Spracheingabe SVoice von Samsung. Sie kann komplett über Sprachbefehle gesteuert werden. Damit lassen sich einige Anwendungen gut steuern. Der Nachteil ist, dass viele Apps nicht unterstützt werden. Damit ist nicht die komplette Funktionalität eines solchen Smartphones durch Sprachsteuerung bedienbar. Leider sind die Spracheingaben noch nicht so weit fortgeschritten wie auf dem PC, eine ausgefeiltere Sprachsteuerung würde mir die Nutzung von Smartphones wesentlich erleichtern.
Aktion Mensch: Aus Ihrer Erfahrung, wie stark werden Smartphones von Menschen mit motorischer Behinderung genutzt und welche Vorteile bieten sie?
Christian Bayerlein: Ich kenne sehr viele, die ein Smartphone benutzen. Natürlich gibt es auch viele Menschen, die keine so starke motorische Einschränkung haben. Der Vorteil von Smartphones ist, dass die Feinmotorik nicht so stark ins Gewicht fällt, weil man kaum noch Tasten drücken oder eine Maus bewegen muss. Die Displays sind auch häufig so groß, dass man nicht so genau tippen muss.
Aktion Mensch: Für welche Bereiche werden Smartphones besonders genutzt?
Christian Bayerlein: Die Nutzung ist nicht wesentlich anders als bei Menschen ohne Behinderung. Für mich liegt ein Vorteil darin, dass die sozialen Netzwerke auch unterwegs zur Verfügung stehen. Ich arbeite zum Beispiel mit Assistenzen im Arbeitgebermodell. Wenn eine der Assistenten krank wird, kann ich über verschiedene Kanäle wie etwa Facebook herumfragen, welche der anderen Assistenten gerade Zeit hat einzuspringen. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass man leichter auf unterschiedlichen Wegen Notrufe etwa per Mail absetzen kann. Ich verwende aber auch eine spezielle App, mit der ich über ein Web-Interface SMS versenden kann.
Aktion Mensch: Was müsste passieren, um Smartphones und Tablets besser nutzbar zu machen? Geht es dabei eher um die Verbesserung der Geräte selbst oder um die Verbesserung der Software?
Christian Bayerlein: Die Hardware-Seite kann ich nicht so gut einschätzen, ich denke aber, dass die Voraussetzungen hier nicht so schlecht sind. Durch die in die meisten Geräte eingebauten Bluetooth-Schnittstellen lässt sich vieles nachrüsten, was nicht schon in die Geräte eingebaut ist. Es müsste mehr auf der Software-Seite passieren.
Aktion Mensch: Was müsste da passieren?
Christian Bayerlein: Es müsste normierte Schnittstellen für Barrierefreiheit geben. Nötig wären zum Beispiel einheitliche Methoden, um Eingaben abzufangen. Es gibt zwar Richtlinien zur Erstellung von Anwendungen, aber sie werden von vielen App-Entwicklern nicht eingehalten, weil sie etwa möglichst einfach ihre Apps auf unterschiedliche Plattformen übertragen wollen. Sowohl die Entwickler der Betriebssysteme als auch die App-Entwickler müssen daran arbeiten, die Barrierefreiheit der Systeme zu verbessern.
Aktion Mensch: Für welche Hardware/Software-Lösung haben Sie sich selber zur mobilen Internet- und App-Nutzung entschieden und warum?
Christian Bayerlein: Ich verwende das Samsung S 3, einfach weil es ein gutes Gerät ist. Ich hatte schon vorher von der Spracheingabe SVoice gehört, das war aber nicht der Grund, warum ich das Gerät gekauft habe.
Aktion Mensch: Bei den mobilen Betriebssystemen gibt es generell zwei Ansätze, die geschlossenen Systeme und Systeme auf OpenSource-Basis wie Android. Wo sehen Sie generell die größeren Vorteile für die Barrierefreiheit?
Christian Bayerlein: Ich halte generell den OpenSource-Ansatz für besser. Da die Systeme offen sind ist es auch für andere Entwickler leichter, selbst Hilfen zur barrierefreien Nutzung der Geräte zu entwickeln.
Herzlichen Dank für das Interview!